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FRIEDVOLLE ELTERNSCHAFT. WIE EIN IDEAL MODERNEN FAMILIENLEBENS MICH GNADENLOS ZUM SCHEITERN BRACHTE.

FRIEDVOLL. Wenn ich FRIEDVOLL höre, läuft es mir kalt den Rücken runter! Nicht, weil ich nicht anstrebe, friedvoll zu leben oder weil ich meine Kinder stattdessen lieber mit Gewalt ins Leben begleite. Natürlich nicht! Wahrscheinlich macht mir diese Begrifflichkeit deshalb so zu schaffen, weil sie in mir lange Zeit einen unglaublich großen Druck erzeugte. Denn, obwohl ich mich vor der Geburt meiner Jungs vor über sechs Jahren ganz bewusst dazu entschieden hatte, eine friedvolle Mama sein zu wollen, war ich eine lange Zeit nicht in der Lage, diesem selbstgewählten Ideal auch nur ansatzweise gerecht zu werden.





Der Beginn der bisher brutalsten

Abwärtsspirale meines Lebens.


Die friedvolle Elternschaft - so wie ich sie in Unmengen von Büchern und Beiträgen verstanden habe - bietet uns als Eltern ein wunderbares Modell an, wie wir die Beziehung zu und mit unserem Kind zeitgemäß gestalten können. Zum Beispiel bedürfnisorientiert. Gewaltfrei. Gleichwürdig. Wertfrei. Empathisch. Geduldig. Wertschätzend. Liebevoll. Und so weiter...


„Klingt großartig! So möchte ich mit meinen Kindern umgehen, genau so!“ dachte ich damals zu Beginn meiner Mutterschaft. Meine Kinder sollten das Leben anders erfahren dürfen als es mir selbst möglich war und ich wollte so gerne als friedvolle Mama dazu beitragen, dass sie eine glückliche und gesunde Zukunft vor sich hätten. Also versuchte ich, die Idee der friedvollen Elternschaft in unseren Alltag zu bringen. Ich versuchte, meinen Kindern zu schenken, was ich selbst nie erlebt hatte. Ich versuchte mit allem mir möglichen Nachdruck, all das zu tun, was laut einschlägiger Literatur eine friedvolle Elternschaft ausmachte.


Und guess what? Es schien vergeblich. Denn je mehr ich versuchte, eine friedvolle, geduldige oder empathische Mama zu sein, desto weniger gelang es mir. Und je weniger es mir gelang, desto unzulänglicher fühlte ich mich. Und je unzulänglicher ich mich fühlte, desto unzufriedener, wertender und gewaltvoller wurde ich mit mir selbst. Und dann mit meinen Kindern. Gemündet hat diese zweifelhafte Abwärtsspirale dann irgendwann in therapeutische Unterstützung weil die Unzufriedenheit mit meinem Tun als Mama unerträglich wurde und ich gefühlt kurz vor der Auszeichnung als schlechteste Mutter aller Zeiten stand.


Das war der bisher tiefste Punkt meiner Karriere als friedvolle Mutter nach Lehrbuch. Und gleichzeitig der Beginn meines ganz persönlichen friedvollen ElternSeins. So, wie ich es heute verstehe und interpretiere.



Meine wichtigsten Learnings aus sechs

Jahren friedvollen MamaSeins


1. Es gibt nicht die eine friedvolle Elternschaft, die für alle Familien gleichermaßen gilt.

Das Verständnis von einer friedvollen Elternschaft ist wahrscheinlich genauso vielfältig wie die ihr zugrunde liegenden unterschiedlichen Ideen von Familie im Allgemeinen. Wenn wir unsere eigene Friedfertigkeit daran messen, was uns irgendwelche Experten oder Ratgeber in ihrer zweifellos wunderbaren Absicht vorgeben, dann müssen wir zwangsweise an der ein oder anderen Stelle scheitern. Weil Elternschaft eben höchst individuell ist. Weil unsere Ressourcen individuell sind. Unsere Herausforderungen. Unser Erleben. Und damit eben auch unsere Definition von FRIEDVOLL. Erlauben wir uns also, ein FRIEDVOLL zu erschaffen, das zu uns und unserer Familie passt - nicht zu den einschlägigen Lehrbüchern.


2. Friedvolle Elternschaft darf niemals zu einem reinen Ideal werden.

Denn als Eltern sind wir Menschen und keine Maschinen. Wir können keinem perfekten Ideal entsprechen, denn dies würde uns unsere Menschlichkeit nehmen. Und es bringt Unzufriedenheit, Unzulänglichkeit und Frustration in einen ohnehin schon anstrengenden Alltag. Sch... also auf Perfektion! Ja: wir können versuchen uns an gewissen Werten zu orientieren. An Werten, die unser Handeln leiten, die uns eine Idee davon geben, wie wir gerne handeln möchten. Und trotzdem darf da Raum sein für Abweichungen. Raum für Fehler. Raum um zu wachsen und zu lernen. Denn das ist das Leben. Es geht immer um Entwicklung. Niemals um Perfektion. Auch und vor allem nicht im ElternSein.


3. Friedvolle Elternschaft findet nicht (nur) zwischen uns und unserem Kind statt.

Wenn wir friedvoll mit Anderen umgehen möchten, müssen wir zunächst mit uns selbst Frieden schließen. Ja, ich nutze hier ganz bewusst das Wort MÜSSEN. Der Duden definiert „friedvoll“ nämlich als „voll inneren Friedens“ und bringt damit unweigerlich die Frage auf den Tisch, wie friedvoll ich mich innerlich eigentlich selbst behandle. Vor allem dann, wenn ich meinen eigenen Vorstellungen der äußerlich friedvollen Mama gerade mal so gar nicht gerecht werden kann. Wenn ich als Mama aufrichtig und authentisch handeln möchte, kann ich im Außen mit meinem Kind nur so friedvoll sein, wie im Innen mit mir selbst. Wir müssen also immer mit einer friedvollen inneren Haltung anfangen, wenn wir ein friedvolles äußeres Verhalten entwickeln möchten. Und das ist zumindest für mich eine der größten Herausforderungen meiner friedvollen Elternschaft!


4. Friedvolle Elternschaft ist eine innere Haltung des liebevollen Annehmens.

Eine Haltung, die damit beginnt, wie ich mir selbst, dem Leben und allen damit verbundenen Erfahrungen begegne - auch den unangenehmen. Bin ich im Widerstand gegen das, was ich gerade erfahre, bin ich nicht friedvoll. Wenn ich mich dafür verurteile, dass ich im Affekt mein Kind angeschrien habe, bin ich nicht friedvoll – und zwar im zweifachen Sinne. Denn dann erhebe ich die Waffen gegen mich selbst, um damit für eine friedvolle Elternschaft zu kämpfen. Und das ist nicht hilfreich, sondern vor allem eins: PARADOX!!! Das heißt im Übrigen nicht, dass ich immer alles gut finden muss, was ich erlebe! Es heisst erstmal nur ANNEHMEN.


5. Friedvolle Elternschaft ist ein radikaler Prozess der Selbsterforschung.

Wenn ich die Beziehung zu meinem Kind möglichst friedvoll gestalten möchte, muss ich also zunächst lernen, die Beziehung zu mir selbst friedvoll zu gestalten. Und das ist aus meiner Sicht der Kern der Arbeit, die wir zu tun haben, wenn wir liebevolle Beziehungen im Außen führen möchten - egal, ob es dabei um unser Kind geht oder den nervigen Nachbarn von Gegenüber. Wir müssen unsere Beziehung zu uns selbst erkennen, verstehen und gegebenenfalls umgestalten. Wir müssen uns die Frage stellen, wann und warum wir gewaltvoll mit uns selbst umgehen. Warum wir uns nicht selbst umsorgen können, wie wir das mit unserem Kind tun. Weshalb wir unsere eigenen schmerzhaften Gefühle nicht so liebevoll begleiten, wie die unseres Kindes. Und vielleicht auch, aus welchem Grund wir uns nicht bedingungslos lieben können.


6. Friedvolle Elternschaft braucht Hingabe und Vertrauen.

Wenn wir beginnen, für unsere eigenen Verletzungen Verantwortung zu übernehmen, daran zu arbeiten und dadurch die Beziehung zu uns selbst zu verändern, machen wir uns auf einen Weg, der Hingabe und Vertrauen braucht. Wir lassen uns ein auf das stetige Erforschen unseres inneren Erlebens. Wir lernen uns auf eine neue, authentischere Art und Weise kennen, abseits von irgendwelchen gesellschaftlichen und persönlichen Erwartungen oder Rollenmustern. Wir werden echter und wahrhaftiger. Wir heilen! Und erlauben so auch unserem Kind noch wahrhaftiger zu sein. Und Wahrhaftigkeit ist aus meiner Sicht schon mal eine wunderbare Voraussetzung für einen friedvollen Umgang mit Anderen.


7. Friedvolle Elternschaft ist ein gesellschaftlicher Beitrag.

Denn unsere Elternschaft ist nicht losgelöst von unserem Leben insgesamt. Sie ist ein Teil unseres Wirkens in der Gemeinschaft. Wenn wir es schaffen, mehr Frieden in unserem Inneren zu kultivieren und dadurch einen intuitiven, authentischen und friedvollen Umgang mit unseren Kindern pflegen, wachsen unsere Kinder in einer Kultur der Verbundenheit auf. Verbundenheit mit sich selbst, mit uns mit allen lebenden Wesen. Und wir leisten einen echten Beitrag für diese Erde. Für mehr Authentizität. Mehr Echtheit. Mehr Gemeinschaft. Mehr Frieden. Im Innen und im Außen. Und ist das nicht eine wunderbare Vision für die Zukunft unserer Gesellschaft?


8. To be completed...


Mein persönliches Fazit


Für mich war die friedvolle Elternschaft ein vermeintliches Ideal, das mich radikal auf den Weg zu mehr inneren Frieden und äußerer Freiheit geschupst hat!

  • Indem sie mich gnadenlos zum Scheitern brachte an meinen eigenen Vorstellungen über ein perfektes ElternSein.

  • Indem sie mich gezwungen hat, mich mir selbst zuzuwenden, statt immer weiter mit irgendwelchen Tricks zu versuchen etwas zu sein, das ich gerne wäre.

  • Indem sie mich zu Orten und Menschen geführt hat, durch die ich entdecken durfte, wer ich wirklich bin und worin der Wert meines Lebens besteht.

Nur, weil ich eine friedvolle Mama sein wollte, hatte ich den Mut zurückzublicken in meine eigene Kindheit und mir meine gewaltvollen Verluste und tiefen Verletzungen anzuschauen. Sie anzuerkennen, ihnen Raum zu geben und zu akzeptieren, dass sie auch in Zukunft noch manchmal zwischen mir und einem friedvollen MamaSein stehen werden. Und dafür bin ich diesem „Ideal“ dann doch recht dankbar!


Im Übrigen glaube ich nicht, dass irgendeine Elternschaft jemals zu 100% friedvoll sein kann, und das muss sie auch nicht. Denn schließlich sind wir alle Menschen und unsere Aufgabe als Eltern ist es lediglich, unseren Kindern unsere einzigartige, liebevoll Version des Menschseins vorzuleben. Und zwar nicht unbedingt die perfekteste!

 

Dieser Blogbeitrag ist Teil der Blogparade „Friedvolle Elternschaft“, die von meinen grandiosen Kolleginnen Birthe und Verena von den Leuchtturmeltern ausgerufen wurde. Er gibt meine persönliche Erfahrung und Meinung zu diesem Thema wieder und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.


 

Hey. Ich bin Constance, Achtsamkeits- und Meditationslehrerin, Kommunikationstrainerin, Yogini und seit 2015 Zwillingsmama. Und immer wieder neu auf der Suche nach meiner inneren Wahrheit. Um mir und meiner Familie ein Leben in Bewusstheit und Authentizität zu ermöglichen.


Mindful. Authentic. Mostly.

Constance

 

Ich betreibe neben diesem Blog auch den dazugehörigen Instagram-Account, auf dem ich in familienkompatiblen Abständen über meine Reise in und durch ein bewusstes, authentisches ElternSein berichte. Wenn dir der Beitrag gefallen hat und du mehr über evidenzbasierte Achtsamkeit für Eltern erfahren möchtest, folge mir gerne unter @mindful.authentic.parenting. Dort gibt es jede Woche neue Impulse, praktische Übungen und Meditationen und du erhältst alle aktuellen News immer taufrisch auf deinem Handy. Ich freu mich auf dich!


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