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INTEGRITÄT. ÜBER GRENZEN UND DIE KUNST IM CHAOTISCHEN MAMA-ALLTAG FÜR UNS SELBST ZU SORGEN.

„Tue nichts aus Angst, Schuld, Scham, Pflicht oder um mehr geliebt zu werden, und erwarte auch nicht von anderen, dass sie etwas aus Angst, Schuld, Scham oder Pflicht für dich tun... Tue alles nur mit der Freude eines kleinen Kindes, das eine hungrige Ente füttert.“ Für mich ist dieses Zitat von Marshall B. Rosenberg die absolute Reinform von Integrität. Eine unverfälschte und absolute Integrität, mit der unsere Kinder - wenn sie geboren werden - diese Welt zu entdecken beginnen. Aber auch eine Integrität, die Viele von uns im Laufe ihrer Sozialisierung zumindest ein Stück weit aufgegeben haben. Oder aufgeben mussten. Um ein vermeintlich wertvoller Teil der Gemeinschaft zu sein – welche Gemeinschaft damit auch immer gemeint sein mag.





Integrität im Kontext einer

bewussten, achtsamen Elternschaft


Jesper Juul beschreibt in seinem Buch 4 Werte, die Kinder ein Leben lang tragen Integrität so: „Integrität in der Familie bedeutet, dass Eltern, statt Grenzen für ihre Kinder zu definieren, ihre eigenen Grenzen aufzeigen…“.


Für mich beinhaltet diese Integrität in erster Linie, dass wir uns bewusst machen, welche Bedürfnisse wir selbst und unsere Kinder haben und wo unsere persönlichen Grenzen und die unserer Kinder liegen. Und dass wir – wenn wir als Familie bewusst und achtsam leben möchten - diese Bedürfnisse und Grenzen bestenfalls liebevoll und wertschätzend miteinander besprechen.


Warum ist es für uns Mamas häufig so schwer, unsere persönliche Integrität zu wahren, ohne die unseres Kindes zu verletzen?


Jetzt ist es ja nicht so, dass uns modernen Mamas die Bedürfnisse und die Grenzen unserer Kinder grundsätzlich egal wären, im Gegenteil! Meine Zwillingselternschaft hat mir allerdings gezeigt, wie schwer es für mich ist, MEINE Integrität zu wahren. Sie hat mich überhaupt erst einmal zu der Frage gebracht: „Was ist eigentlich meine Integrität?“ Denn ich persönlich (Keine Ahnung, wie es dir damit geht?) bin in einer Realität aufgewachsen, in denen mir als Kind definitiv weniger Integrität zugestanden wurde als den Erwachsenen. Ich wurde selten gefragt, was ich möchte oder brauche. Und die wenigsten meiner damaligen Bezugspersonen haben sich selbst gefragt, bis zu welchem Punkt ich als kleiner Mensch in meiner Integrität eigentlich noch unversehrt bleibe und ab wann meine Integrität eben auch beschädigt werden könnte.


Das mag an meiner ganz persönlichen Geschichte einerseits liegen, repräsentiert allerdings auch ganz gut, das bis in meine Generation (Baujahr 1977) verbreitete Erziehungsparadigma, das vom Kind ein hohes Maß an Kooperation verlangte, während die Erwachsenen - gefühlt - die komplette Entscheidungs- und Ausübungsgewalt hatten (s. Adultismus). Oder anders: Die körperlichen und psychischen Grenzen kleiner Menschen wurden bis in die jüngste Zeit (natürlich teils auch aus Unwissenheit) so wenig geachtet, dass bis in die heutige Generation junger Mütter der Glaube zu herrschen scheint, dass die eigenen Grenzen weniger „wert“ wären als die der Anderen.


Wenn wir also als junge Menschen gelernt haben, unsere Grenzen zu übergehen, weil sie eine vermeintlich untergeordnete Rolle im System spielen - sei es Familie oder Gesellschaft, kann die Konsequenz nur die sein, dass wir unsere Integrität im Mama-Alltag häufig erst dann lautstark einfordern, wenn sie eigentlich schon längst verletzt ist.

Wenn der letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wenn der Lärm um uns herum unseren Kopf schon fast zum Explodieren bringt. Wenn wir nichts mehr geben können, weil wir ausgelaugt sind. Wenn wir uns selbst nicht mehr spüren, weil all unsere Aufmerksamkeit den kindlichen Gefühlen gilt. Oder wenn wir über die Jahre vergessen haben, wo wir eigentlich aufhören und das Kind anfängt.


Wir haben möglicherweise nie gelernt für unsere Integrität einzustehen, indem wir unsere Grenzen wahren. Vielleicht durften wir es nicht. Oder es hat uns zumindest keiner so richtig gezeigt. Und deshalb glauben wir ganz tief unten noch immer, dass unsere physische und emotionale Unversehrtheit keine Rolle spielt. Obwohl wir hören, dass es nicht stimmt. Obwohl wir wissen, dass es nicht stimmt. Aber wir können häufig nicht fühlen, dass es nicht stimmt. Und deshalb explodieren wir irgendwann, wenn dieser eine letzte Tropfen das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Das ist der Preis, den wir dafür zahlen, dass Angst, Scham, Schuld und Pflicht jahrhundertelang gängige Druckmittel in der Kindererziehung sein durften.





Was brauchen wir Mamas um unsere eigene Integrität mit der persönlichen Integrität unserer Kinder in eine für uns stimmige Balance zu bringen?


Zunächst ist einmal völlig außer Frage, dass, wenn unsere Kinder ganz, ganz klein sind, unser Augenmerk auf deren Bedürfnissen liegt – und zwar zunächst einmal uneingeschränkt und unumstritten. In einem zweiten Schritt – wenn unsere Kinder ein kleines bisschen selbstständiger werden – dürfen wir uns als Mamas jedoch auch wieder die Frage stellen, wie wir unseren Bedürfnissen – wenn auch vielleicht ganz langsam und vorsichtig – wieder mehr Raum geben können. Nicht in Form eines schönen, warmen Tees oder eines duftenden Schaumbades. Das ist schön, hilft uns aber mitnichten, unsere Grenzen deutlicher wahrzunehmen und unsere Integrität nachhaltig zu wahren.


Was wir brauchen, ist Raum, um für uns selbst zu sorgen. Raum, um unserem Inneren zu begegnen. Raum, um unseren Körper (wieder als UNSEREN Körper) zu spüren. Raum, um unsere ganz ureigenen Gefühle zu fühlen und sie zu halten. Uns zu trösten, wenn es uns nicht gut geht. Unsere unerfüllten Bedürfnisse zu erforschen und alltagstaugliche Strategien zu entwickeln, diese erfüllen zu können.

Nur, wenn wir uns diesen Raum nehmen und anerkennen, dass jeder einzelne Mensch auf dieser Welt das gleiche Geburtsrecht hat, nur so viel zu kooperieren, wie es mit der eigenen Integrität vereinbar ist, sind wir in der Lage unsere Grenzen zu ziehen. Liebevoll und achtsam. Bevor das Fass überläuft.



Wie kann ich mir diesen Raum im chaotischen

Mama-Alltag schaffen?


Ja. Das ist die Frage aller aktuellen Debatten, die sich im Corona-Alltag ganz besonders oft stellt und für die es sicherlich nicht überall und in jedem Fall eine mal eben ganz easy Antwort gibt. Weil wir Mamas wieder einmal voll und ganz gefragt sind. Weil der Laden dank unseres Engagements irgendwie am Laufen gehalten werden kann. Weil wir (wieder einmal) unsere Grenzen erweitern und verschieben. Zu Gunsten der Gemeinschaft. Damit es allen (Anderen) gut geht. Ja, es gab auch in meinem Mama-Leben Zeiten, in denen es nicht so eben möglich war, mir Raum im Alltag zu nehmen. Weil meine Zwillinge klein waren. Weil mein Mann während der Woche im Ausland gearbeitet hat. Weil ich unter Schlafmangel litt. Weil...


Und dennoch: Wenn wir unsere eigene emotionale und psychische Unversehrtheit nicht nur als Voraussetzung für ein gutes Funktionieren im Familienalltag verstehen, sondern tatsächlich als unser absolutes Geburtsrecht annehmen und wertschätzen, kann dieser Raum für Integrität und Selbstfürsorge entstehen. Und diesen Raum finden wir nicht nur auf einem Meditationskissen im Schweige-Retreat, sondern auch im hektischen Familienalltag.


Liebevoll und achtsam Grenzen zu setzen um Integrität zu wahren, beginnt damit, dass wir lernen in uns zu spüren, wann eine unserer Grenzen überschritten werden könnte.

Bevor wir also reagieren im Alltag, beginnen wir stattdessen doch damit, uns selbst zu erforschen. Vor allem in Situationen, in denen das Fass überzulaufen droht. Fangen wir an zu erkennen, wann der letzte Tropfen der Wasseroberfläche immer näher kommt. Spüren wir hinein, was im Körper passiert, wenn unser Kleinkind zum hundertsten Mal seine Spaghetti an die Wand wirft. Beginnen wir unsere Gedanken zu beobachten, wenn wir das zehnte Mal in der Nacht aufstehen um ein weinendes Kind zu trösten. Nehmen wir uns selbst in den Arm um uns Mitgefühl zu schenken, wenn wir keine Kraft (oder einfach auch keine Lust) mehr haben, die tausendste Windel vom Frühstückstisch zu fischen. Und fragen wir uns doch einmal ganz in Ruhe, was wir wollen und was wir nicht wollen. So ganz grundsätzlich.


Uns selbst ernst zu nehmen, kostet meistens keine extra Zeit. Nur einen Perspektivenwechsel. Unsere persönliche Integrität und unsere Grenzen zu wahren ist ein Akt der Selbstliebe! Und wenn uns das schwer fällt? Dann holen wir uns möglicherweise Unterstützung. Denn auch das ist Integrität!


Und darüber hinaus hilft mir beispielsweise meine regelmäßige Achtsamkeitspraxis dabei, mich immer wieder mit meinem inneren Raum zu verbinden. Meinen Körper zu spüren. Meine Gedanken zu beobachten. Und meine Gefühle und Bedürfnisse zu erforschen. Denn all das sind heute Pfeiler geworden, auf denen meine persönliche Integrität gebaut ist. Eine gewahrte Integrität, die ich mittlerweile immer häufiger achtsam und liebevoll zu wahren in der Lage bin.



 

Hier noch ein Interview, das ich zum Thema INTEGRITÄT mit Verena Ohn, GFK-Trainerin, Bloggerin bei den LEUCHTTURM-ELTERN und Dreifach-Mama geführt habe.




 

Hey. Schön, dass du hier bist! Ich bin Constance. Kommunikationstrainerin, Achtsamkeitslehrerin,

Yogini und seit 2015 Zwillingsmama. Und immer wieder neu auf der Suche nach meiner inneren Wahrheit. Um mir und meiner Familie ein Leben in Bewusstheit und Authentizität zu ermöglichen. Deshalb betreibe ich diesen Blog und den dazugehörigen Instagram-Account, wo ich in familienkompatiblen Abständen über meine Reise in und durch ein bewusstes, authentisches ElternSein berichte.


Mindful. Authentic. Mostly.

Constance


 

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